Symposium 2006: Bericht
III. Symposium „Suryoye-l-Suryoye“
Das 3. Symposium „Suryoye l-Suryoye“ veranstaltete die Fundatio Nisibinensis – Gesellschaft zur Förderung Aramäischer Studien in Kooperation mit dem Lehrstuhl für Orientalische Philologie der Universität Erlangen-Nürnberg. Veranstaltungsort war die Akademie der Jakob-Kaiser-Stiftung in Königswinter bei Bonn. Zu dem vom 3.–5. November 2006 durchgeführten Kongress erschienen 18 Referenten und gut 100 Teilnehmer. Die Fundatio Nisibinensis – Gesellschaft zur Förderung Aramäischer Studien übernahm die Ausrichtung des Symposiums vom Kreis Aramäischer Studierender Heidelberg (KrAS), der die ersten beiden Symposien veranstaltete.
Die Vorträge am Kongress behandelten sechs verschiedene Themenbereiche, die unsere Gemeinschaft aktuell betreffen.
Die Kirche als Refugium in der Diaspora
Am Freitagnachmittag wurde das Symposium mit Block I „Die Kirche als Refugium in der Diaspora“ eingeleitet. Dr. Aho Shemunkasho von der Paris-Lodron-Universität Salzburg war der erste Referent. Er berichtete über die Anfänge des Dialogs innerhalb der Kirchen syrischer Tradition und dessen aktuellen Stand. Eine Annäherung der syrischen Kirchen sei nicht nur für die allgemein angestrebte Ökumene von großer Bedeutung, sondern auch für die politische Einheit der West- und Ostsyrer, so Dr. Aho Shemunkasho. Dr. Assad Sauma-Assad aus Schweden gab einen Einblick über das Leben und Wirken des Hl. Afrem. Seinen Vortrag widmete Dr. Asaad dem 1.700. Todesjahr des Kirchenlehrers. Mor Afrem könne und sei ein Bindeglied der Kirchen in West und Ost, da seine Kirchenlehre gleichermaßen von beiden geehrt und akzeptiert wird. Yousef Kouriyhe referierte im Anschluss über die „Muster der Wechselbriefe zwischen Patriarchen und Kalifen“. Die Zuhörer erhielten einen Einblick in die Zeit der Entstehung des Islams und wie er sich immer mehr auf Kosten des Christentums ausgebreitet hat und politisch die syrischen Kirchen beeinträchtigte. Vor dem gemütlichen Beisammensein regte Amill Gorgis zum Abschluss des Tages zur Diskussion über die Lage der Syrisch-Orthodoxen Kirche in der Diaspora an. Seine kritischen Gedanken zur Rolle der Akademiker in der Kirche luden zu einer leidenschaftlichen Debatte ein.
Jungtürkische Herrschaft 1915 – Ein Völkermord an den Suryoye?
Am nächsten Morgen ging es mit dem Block „Jungtürkische Herrschaft 1915 – Ein Völkermord an den Suryoye?“ weiter. Der Block umfasste drei Referenten, die außerhalb von der Bundesrepublik anreisten. Jan Beth-Sawoce, der kürzlich Augenzeugenberichte von Überlebenden des Völkermordes in einem Textband in Aramäisch herausgab, setzte sich in seinem Vortrag mit den Geschehnissen in Hazax auseinander. Zeki Yalcin referierte über den Völkermord aus Sicht der skandinavischen Wissenschaftler und Archive. Dr. cand. Yalcin ist der Einzige der Fundatio Nisibinensis bekannte Wissenschaftler, der die Archivmaterialien über den „Sayfo“ ausarbeitet. „Die Auswertung der Archive ist grundlegend, wenn wir die Aufmerksamkeit der europäischen Historiker und politischen Institutionen gewinnen wollen“, so der Historiker. Naures Atto aus Holland behandelte diese Tragödie aus der sozio-kulturellen Perspektive und veranschaulichte dem Auditorium die Formung einer Identität des Leidens.
Suche nach der Identität
Im dritten Block „Suche nach der Identität“ referierte Ihsan Çetin aus Izmir über die „Mhalmoye“. Mhalmoye sind die Nachfahren der ehemaligen Christen, die in dem Gebiet westlich von Midyat leben und zum Islam konvertierten. Er sprach über „Mhalmians (Mhalmoye) – Language and Multiculturalism“. Danach analysierte Pfarrer Abrohom Garis aus Göteborg den Begriff „Mhalmoye“ und die Namen der Mhalmoye-Siedlungen nach etymologischen Gesichtspunkten. Sein Ergebnis ist, dass fast alle Siedlungen der Mhalmoye sich aus dem Aramäischen ableiten lassen.
Im politischen Teil des Kongresses referierte Rechtsanwalt David Gelen über den Begriff der „Minderheit“ im Lausanner Vertrag und in der Verfassung der Republik Türkei. Nachdem er den juristisch nicht versierten Zuhörern den Begriff der „Minderheit“ nachvollziehbar erläuterte, kam er zu der Konklusion, dass das türkische Verfassungsverständnis von Minderheiten mit dem vom Lausanner Vertrag, den die Türkei anerkennt, nicht kompatibel sei. Die Türkei erkenne die nicht-muslimischen Millets aus der Tradition des Osmanischen Reiches als Minderheiten zwar an, gewähre ihnen aber nur insoweit Rechte, wie es die Staatsverfassung erlaubt. Warum die Aramäer, obwohl sie Nichtmuslime sind, nicht als Minderheit gelten, habe wohl nach einigen Historikern damit zu tun, dass sie auf ihre Rechte verzichteten. Dies sei aber eine Annahme, die nicht nachgewiesen ist, sagte Herr Gelen. Andere Historiker sprechen von einer Desorganisation bei den Aramäern. „Die Gründe sind komplexer und eine Herausforderung für eine wissenschaftliche Arbeit“. In Anlehnung an diesen Vortrag, referierte Rechtsanwalt Aydin Doganay über „Die aufenthaltsrechtliche Situation der Suryoye in der Bundesrepublik“.
Den zweiten Tag des Symposiums beendete Prof. Otto Jastrow mit dem Gastvortrag „Integration und die Zukunft der aramäischen Sprache“. Wie erwartet hielt er den Vortrag zum Teil in Aramäisch. Den restlichen Abend verbrachten die Teilnehmer gemeinsam bei einem Drink und Live-Musik von Yacoub Hocho mit musikalischer Oud-Begleitung. Zeki Bilgic las aus dem Malkuno Zcuro vor, der Übersetzung des „Kleinen Prinzen“ ins Aramäische (Surayt), und fesselte mit den Worten des Fuchses die gebannten Zuhörer.
Zwischen Migration und Integration
Der letzte Block „Zwischen Migration und Integration“ wurde von Dr. Suat Can aus Berlin mit der Frage eröffnet: „Ist Syrisch (kthobonoyo) wirklich schwierig?“. Sie stellte die aramäische Termini Technici der Grammatik von Bar-Hebräus vor. Anlehnend an den Vortrag von Dr. Suat Can präsentierte Hanna Altunkaynak, ebenfalls aus Schweden, das offizielle Projekt der „Malfone“ in Schweden, das Online-Erlernen des Syrisch-Aramäischen. Der zweite Teil dieses Blocks drehte sich um das Neuaramäische (Surayt). Zeki Bilgic vom Orient-Institut Beirut referierte über die Übersetzung des „Le Petit Prince“, der vom Kreis Aramäischer Studierender Heidelberg (KrAS) ins Surayt übersetzt wurde. Er stellte die Orthographie dar, die die Übersetzer des Malkuno Zcuro verwendeten, und verglich sie mit anderen Verschriftlichungen des Neuaramäischen (Surayt). Mit dem einzigartigen Übersetzen dieses Literaturklassikers sei nicht nur unsere Kultur bereichert. Der Kreis Aramäischer Studierender Heidelberg schuf auch eine Grundlage für eine systematische Orthographie des Surayt als schriftliche Kommunikationssprache. PD Dr. Shabo Talay, stellte Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen den östlichen und westlichen Dialekten des Aramäischen anhand einiger Beispiele vor.
Als Abschluss des Kongresses stellte Edip Saliba aus Düsseldorf, der für die Öffentlichkeitsarbeit der Fundatio Nisibinensis zuständig ist, die Wichtigkeit der Rolle der Wissenschaft in der Entwicklung unserer Gemeinschaft in der Diaspora dar und leitete damit in eine fruchtbare Abschlussdiskussion über.
Insgesamt kann von einer sehr erfolgreichen Veranstaltung gesprochen werden, was sich auch an den Beitritten zur Fundatio Nisibinensis während des Wochenendes wiederspiegelt. Das zeigt uns, dass die Teilnehmer überzeugt waren von den Zielen unserer Gesellschaft und von den Wegen, wie wir diese Ziele erreichen wollen. Das Symposium wird seinen zweijährigen Rhythmus beibehalten und im Jahre 2008 zum vierten Mal veranstaltet. Es ist angeregt worden, es in der Hauptstadt Berlin stattfinden zu lassen, was von den Mitgliedern der Fundatio Nisibinensis sehr positiv aufgenommen wurde.