Studienreise Istanbul 2010: Bericht
Studienreise nach Istanbul
Seit einigen Jahren ist es ein fester Bestandteil des Bildungsprogramms der Fundatio Nisibinensis geworden, eine Studienreise in eine der bedeutenden Städte Europas zu veranstalten. Dieses Jahr fiel die Wahl auf die facettenreiche Kulturhauptstadt 2010: Istanbul. Nachdem das Vorhaben über das Internet publik gemacht worden war, fanden sich 16 Bildungshungrige aus den verschiedensten Ecken Deutschlands und Hollands, die sich in der Zeit vom 9.-13. September auf die Spuren der aramäischen Geschichte begaben.
Istanbul (früher Konstantinopel) ist sowohl aus kultureller als auch aus wirtschaftlicher Perspektive die wichtigste und vielseitigste Stadt der Türkei. Die Stadt breitet sich zu beiden Seiten des Bosporus aus und erstreckt sich somit über zwei Kontinente.
Mit rund 13 Millionen Einwohnern ist Istanbul eine der größten Städte Europas und der Welt. Bis zur Republikgründung 1923 war Istanbul die Hauptstadt des Osmanischen Reiches. Dies wurde im selben Jahr noch aus strategischen Gründen Ankara.
Mit ihrer 2600-jährigen Geschichte vereint die Architektur Elemente der Griechen, Römer, Byzantiner, Osmanen und Türken zu einem großartigen Stadtbild. Aufgrund dieser Einzigartigkeit wurde die historische Altstadt von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt. Lange Zeit war Istanbul ein bedeutendes Zentrum des orthodoxen Christentums und des sunnitischen Islams; bis heute ist es der Sitz des ökumenischen Patriarchen und ein Platz zahlreicher Moscheen.
Somit bot sich uns eine Vielzahl an kulturellen Highlights und es bedurfte viel Flexibilität und auch Neugier, um die zahlreichen Eindrücke aufzunehmen und zu verarbeiten.
Bereits am ersten Tag führte uns unsere Stadtrundreise zu einem der Wahrzeichen der Stadt: die Galata-Brücke. Sie stellt heute wie zur Zeit ihrer Erbauung ein zentrales Nadelöhr dar, wo sich irgendwann all die Wege der Millionen Einwohner Istanbuls kreuzen. Die hochmoderne Galata-Brücke überspannt einen Seitenarm des Bosporus, das Goldene Horn, welches den europäischen Teil der Stadt in zwei Hälften unterteilt. Wie aus früherer Zeit bot sich uns noch heute entlang der Brücke das malerische Bild zahlreicher Angler. Nördlich der Brücke ist der gleichnamige Galata-Turm, der mit seinen 67 m das Stadtpanorama deutlich bricht. Auf dessen Platz führten wir auch an einem Abend in geselliger Atmosphäre ein interessantes Gespräch mit einem Einheimischen.
Auf der gegenüberliegenden Seite liegt der Topkap?-Palast. Auch die Sultane waren sich der wichtigen strategischen Lage des Goldenen Horns bewusst und ließen demzufolge die Palastanlagen dort errichten. Von hier aus führte der Sultan seine Geschäfte und hier fand auch sein Privatleben statt. Zeitweise lebten innerhalb der Palastmauern – zuzüglich eines ausgedehnten Harems – mehr als 5000 Menschen. Unser Staunen erweckte eine ausgedehnte Sammlung des Museums, die den überaus wertvollen „Löffel-Diamanten“ und den „Topkap?-Dolch“ beherbergt.
Ebenfalls von der Galata-Brücke ist die 1875 in Betrieb genommene 600 m lange Standseilbahn „Tünel-Bahn“ zu erreichen. Für einen Selbstkostenbeitrag von sage und schreibe 1 Lira konnten wir uns eine Fahrt mit einer der ältesten Untergrundbahnen der Welt leisten, die ebenso spektakulär war wie der Eintrittspreis… Sie führt zur höher gelegenen Istiklal Caddesi, der Hauptschlagader Beyo?lus. Das ehemalige Europäer-Viertel macht seinem Namen alle Ehre, denn nirgendwo ist die Bosporus-Metropole so westlich wie hier. Nicht nur die Jugend Istanbuls hat sich das Viertel zu Eigen gemacht, auch Kunst, Kultur, Kommerz und das Nachtleben sind rund um die Istiklal Caddesi zuhause. Wir selber erfuhren Beyo?lu als das lebendige Viertel der Restaurants, Cafés, Bars und Clubs.
An einem anderen Tag verschlug es uns ans europäische Bosporusufer zum Dolmabahçe Palast (Dolmabahçe Saray?). Mit etwas Fingerspitzengefühl konnten wir uns die einstündige Wartezeit vor den Eingangstoren verkürzen und anschließend die prunkvoll und pompös erbauten Gemächer, von denen aus der Begründer der Republik selbst, Kemal Atatürk, seine Amtsgeschäfte leitete, einsehen. Selbst die Fußball-Freunde sollten bei all dem kulturellen Programm auf ihren Geschmack kommen. Gegenüber den Gartenanlagen des Dolmabahçe Saray? konnten wir das alte Be?ikta?-Stadion betrachten.
Natürlich durfte bei unserer Bildungsreise das Wahrzeichen Istanbuls schlechthin und zugleich eines der bedeutendsten Sehenswürdigkeiten der Welt nicht fehlen. Als christliche Kirche war sie fast 1000 Jahre das geistliche Zentrum des byzantinischen Reiches. Nach der Eroberung Konstantinopels durch die Osmanen wandelten diese sie um und machten sie zur Hauptmoschee der Stadt am Goldenen Horn. Heute ist die Hagia Sophia, seit 1985 UNESCO-Weltkulturerbe, ein Museum. Laut Ausführungen unseres Touristenführers über den Mythos der Marmorvasen, wird ein jedem, der sie berührt, das Geschenk von Zwillingen bereitet.
Um dem hektischen Treiben und der drangvollen Enge der Millionenstadt für einen Moment zu entrinnen, zogen wir uns für einen Tag auf die idyllisch-ruhigen Prinzeninseln zurück, von denen jeglicher Straßenverkehr verbannt wurde. Die provinziellen Pferdekutschen stellen die einzige Beförderungsmöglichkeit dar und einige von uns gönnten sich auch dieses Erlebnis. Auf der Heybeli Ada steht das im 11. Jahrhundert gegründete griechisch-orthodoxe Kloster, dessen Priesterseminar von Halki, die wichtigste Theologische Hochschule des Ökumenischen Patriarchats von Konstantinopel, bis heute geschlossen ist. Trotz der strikten Öffnungszeiten und der fortgeschrittenen, Zeit konnten wir durch reichlich Überredungskunst einen kurzen Blick in das Kloster werfen. Sicherlich wird die Fährenfahrt auf die Inseln für uns alle und auch für die anderen Fahrgäste unvergessen bleiben! Nachdem einer aus der Gruppe eines unserer typischen aramäischen Kirchenlieder anstimmte, sollte sich herausstellen, wie musikalisch und tänzerisch begabt unsere gesamte Reisegruppe war; ein jeder der 16 stimmte mit ein und schließlich bildeten sogar andere Passagiere ebenfalls kleinere Musikgruppen, die ihrerseits durch traditionelle Gesänge unsere übertrumpfen wollten.
Den Höhepunkt unserer Istanbul-Bildungsreise stellte ganz gewiss die Audienz bei unserem Bischof Mor Yusuf Çetin in der syrisch-orthodoxen Kirche „Meryem Ana“ in Tarlabasi dar. Sehr beeindruckend schilderte uns Bischof Çetin, wie er ein System rotierender Priester in den Gemeinden Istanbuls etablierte. Mit noch größerem Erstaunen erfüllte uns jedoch das außerordentliche und unermüdliche Engagement des Bischofs für die jugendlichen Gemeindemitglieder und seine hieraus resultierende anziehende Wirkung auf die Jugend. Im Anschluss an die Audienz beim Bischof Yusuf Çetin führte er uns persönlich im Kloster herum und zusammen besuchten wir das Abendgebet.
Bei all der Wissbegierde und einem vollgepackten Bildungsprogramm sollte man aber nicht meinen, dass Spaß, Freude und Erholung zu kurz kamen. Nein, ganz im Gegenteil! Unsere gemeinsamen Abende waren unvergleichlich. Sei es das Ausgehen im belebten Stadtviertel Beyo?lu oder das gelassene Beisammensitzen in ruhiger Atmosphäre.
Schließlich möchten wir uns noch die Zeit nehmen und uns bei den Organisatoren der Studienreise herzlichst für die gute und abwechslungsreiche Planung bedanken, die uns jedoch nie in unseren individuellen Wünschen einschränken sollte, denn immer war sie als flexibles, freies und vor allem freiwilliges Angebot gedacht. Aber natürlich möchten wir auch der Gruppe als Ganzes unseren Dank aussprechen: Allesamt waren sie erfüllt von großer Leidenschaft für die eigene Herkunft sowie die aramäische Kultur und immer außerordentlich guter Laune, sodass selbst der Besuch eines archäologischen Museums in der Gemeinschaft zu einem bleibenden Erlebnis werden konnte.
Während der paar Tage, die wir in Istanbul verbracht haben, haben wir versucht, das Maximum an Eindrücken zu sammeln. Aber diese Stadt hat einiges mehr zu bieten, als man in 5 Tagen besichtigen und vor allem erleben kann!