3000 Jahre Armäisch – Sprache und Kultur

Ein Kolloquium zu Ehren des Prof. Dr. Jastrow

Otto Jastrow wird Ehrenmitglied der NISIBIN

Anlässlich der Emeritierung Prof. Dr. Otto Jastrows lud die Fundatio Nisibinensis – Gesellschaft zur Förderung Aramäischer Studien am Samstag, 09. Juni 2007 nach Heidelberg zu einem Kolloquium ein. Das Thema war „3000 Jahre Aramäisch“. Mit ungefähr 60 Zuhörern war die Veranstaltung gut besucht.

Prof. Dr. Otto Jastrow, bisher Inhaber des Lehrstuhls für Orientalische Philologie an der Universität Erlangen-Nürnberg, feierte in Februar 2007 seinen 65. Geburtstag. Er studierte Allgemeine Sprachwissenschaft und Orientalistik in Saarbrücken, Tübingen, Istanbul und Beirut. Seine Promotion reichte er in Saarbrücken ein. Er habilitierte in Erlangen, wo er 1980 zum Professor ernannt wurde. Nach einem sechsjährigen Aufenthalt an der Universität Heidelberg kehrte er als Lehrstuhlinhaber an das Erlanger Institut für Außereuropäische Sprachen und Kulturen zurück. Durch seine Forschungen in der Aramaistik trug er zum Erhalt und zur Förderung der aramäischen Sprache bei. Er ist Autor des „Lehrbuchs der Turoyo-Sprache“.

Als 2. Vorsitzender der Fundatio Nisibinensis begrüßte Rechtsanwalt David Gelen die Besucher und hob in seiner Festrede die Forschungen Prof. Jastrows für das Aramäische, insbesondere für das Surayt hervor.

Erstes Auftauchen der Aramäer und des Aramäischen

Als Erster referierte der Heidelberger Professor emeritus, Prof. Dr. Klaus Beyer, über „das Syrische im Rahmen des Semitischen“. Er begann chronologisch mit dem Akkadischen, welches die älteste nachweisbare Sprachgruppe unter den Semitischen ist. Die Akkader übernahmen ab 2.500 v. Chr. die Keilschrift für das Akkadische von den Sumerern. Die Sumerer verwenden seit 3.200 v. Chr. die Schrift; rund 500 Jahre vor den Ägyptern mit den Hieroglyphen. Erste aramäische Namen tauchen in keilinschriftlichen Zeugnissen 1.200 v. Chr. auf. Die Aramäer als Volksgruppe werden erstmals in den Annalen des assyrischen Königs Tiglapilesar um 1112 v. Chr. erwähnt. Ihr ältestes Siedlungsgebiet ist Nordsyrien.

Im 9. Jahrhundert v. Chr. beginnen die ältesten Inschriften in Aramäisch. Das Alphabet dieser Inschriften ist von den Phöniziern übernommen worden. Da das Alphabet eine feste Normierung hat, kann davon ausgegangen werden, dass ein Staat dahinter steht. Später übernehmen die Israeliten von den Aramäern das Alphabet.

Ab 700 v. Chr. wird das Aramäische die Lingua Franca im Vorderen Orient. Sie wird die Kanzleisprache der Perser, die über ein Reich von Libyen im Westen bis zum Indus im Osten herrschten. Mit den Eroberungen Alexanders des Großen ab 333 v. Chr. beginnt das Griechische die dominante Rolle des Aramäischen abzulösen. Trotzdem bleibt das Aramäische die Umgangssprache bis es mit den Eroberungen der Muslime im 7. Jahrhundert durch Arabisch verdrängt wurde. Prof. Dr. Beyer beendete seinen Vortrag mit der Aufforderung an die Zuhörer: „Von Ihrer Vitalität hängt es ab, ob das Aramäische in der Heimat und in Europa überlebt“.

Das Jüdisch-Aramäische

Einen auch für Nicht-Sprachwissenschaftler leicht verständlichen Vortrag hielt Renauld Kuty M.A.. Der Assistent Prof. Dr. Arnolds am Institut für Semitistik in Heidelberg referierte über das Jüdisch-Aramäische. Nach einem kurzen geschichtlichen Überblick ging er näher auf die Stelle im Alten Testament in 2 Könige 18, 26 ein. Dort wird die Antwort der Gesandten des Königs Hiskija mit dem Vorboten Sanheribs um 701 v. Chr. folgendermaßen wiedergegeben: „Sprich doch aramäisch mit deinen Knechten; wir verstehen es. Sprich vor den Ohren des Volkes, das auf der Mauer steht, nicht judäisch mit uns“. Mit diesem Zitat leitete Renauld Kuty zum Jüdisch-Aramäischen über. Das Zitat zeigt, dass zur Zeit Sanheribs nur die höheren Beamten, aber nicht das einfache Volk, Aramäisch verstanden. Wenig später wurde das Jüdisch-Aramäische im Exil zur Liturgiesprache der Juden. Mit dem Exil gab es fortan zwei Zentren der Juden: eines in Palästina und eines in Babylonien. Die berühmten Targume und der Talmud wurden in beiden Zentren zum Teil in Jüdisch-Aramäisch geschrieben.

Irgendwann in den Jahrhunderten um Christi Geburt, spätestens im 2. Jahrhundert nach Christus, verschwand das Hebräische als gesprochene Sprache.

Das Neuwestaramäische

Mit Neuwestaramäisch bezeichnen Semitisten die Sprache der drei Dörfer Baxra, ?ubcadin und Maclula, so der Referent Prof. Dr. Arnold, Lehrstuhlinhaber der Semitistik in Heidelberg. Die meisten Sprecher dieser Sprachgruppe sind Muslime. Ihre christlichen Sprecher sind in der Minderheit. In diesen drei Dörfern war das Aramäische, im Gegensatz zum Tur Abdin, niemals Kirchensprache. Kirchensprachen sind dort Arabisch und Griechisch, da die Christen zur griechisch-katholischen oder griechisch-orthodoxen Kirche gehören.

In seinem Vortrag ging Prof. Dr. Arnold auf die Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Neuwestaramäisch und Surayt ein. Bei näherem Hinsehen gibt es viele Gemeinsamkeiten zwischen beiden Sprachen, obwohl sich ihre Sprecher nicht ohne weiteres in Aramäisch verständigen können.

Madenhoyo

PD Dr. Shabo Talay vom Lehrstuhl für Orientalische Philologie an der Universität Erlangen-Nürnberg  gab in seinem Vortrag einen Überblick über die nordostneuaramäischen Dialekte. Im Gegensatz zum Macerboyo, zu dem nur noch Surayt zählt, umfassen die nordostneuaramäischen Dialekte (Madenhoyo) hunderttausende Sprecher mit mehreren Sprachgruppen. Das Nordostneuaramäische wird mit NENA (Northeast New Aramaic) abgekürzt. Das größte zusammenhängende aramäische Sprachgebiet in Madenhoyo und überhaupt ist in Syrien am Khabur.

Im Laufe seines Vortrags ging Dr. Shabo Talay auf die Besonderheiten des Madenhoyo kurz ein und erklärte Lautlehre, Verbalflexion, Verbmodifikatoren und Objektsuffixe am Verbum. Später ging er auf seine Entwicklung ein.

1835 wurde der Dialekt von Urmia mit der Verschriftlichung zur Schriftsprache erhoben, in der die erste Zeitschrift des Irans überhaupt herausgegeben wurde. Die Zukunft des Aramäischen in allen Ländern des Nahen Ostens sieht Dr. Talay als sehr düster.

Das Turoyo – eine außergewöhnliche Sprache

Den Abschluss bildete Prof. Dr. Otto Jastrow mit dem Vortrag „das Turoyo – eine außergewöhnliche Sprache“. Zunächst berichtete er, wie er dazu kam sich mit dem Surayt zu beschäftigen und wie er sich immer mehr für diese Sprache interessierte. Nachdem sein Interesse für diese Sprache geweckt war, stellte er eigene Forschungen darüber an und schrieb seine Dissertation vor genau 40 Jahren darüber.

Das Surayt bezeichnete er als das Italienische unter den neuaramäischen Sprachen, weil viele Wörter mit einem „o“ hinten aufhören. Bemerkenswert beim Surayt ist sein sehr konservatives Lautsystem, weil alle frühen Laute der Hochsprache noch gesprochen werden. In allen aramäischen Dialekten verschwanden bestimmte Laute, die es im Surayt immer noch gibt. Eine besondere eigenständige Leistung und ein Alleinstellungsmerkmal des Surayt ist die Herausbildung der bestimmten Artikel „u“ „i“ und „a“.

Prof. Dr. Jastrow empfahl den Zuhörern Surayt zu einer Schriftsprache zu entwickeln, um es für die Zukunft zu bewahren. Es gebe zwar einen Mangel an Literatur, da Surayt bisher nur gesprochen wurde, dies könne jedoch überwunden werden. Sehr wichtig wäre es mit seinen Kindern in der Muttersprache zu reden. Er sah das Surayt, wenn es zur Schriftsprache erhoben würde, nicht als Konkurrenz für das Kthobonoyo. Als Beispiel nannte er Italien. Schüler in Italien lernen in der Schule Latein und Italienisch. Keiner sagt dort, wir müssen Latein reden.

Er betonte die Wichtigkeit des Surayt in der heutigen Zeit in der Diaspora eindringlich: „Umso kleiner das Volk, umso wichtiger ist die Sprache für die Identifikation“.

Im Anschluss an die Vorträge gab es eine Diskussionsrunde mit den Referenten. Hier hatten die Besucher des Kolloquiums die Möglichkeit nachzufragen und ihre Meinung zu äußern. Den Abschluss bildete die Überreichung von Geschenken an die Referenten des Tages. Als besonderes Präsent erhielt Prof. Otto Jastrow „für ein Leben für das Aramäische“ symbolisch eine Urkunde für die Ernennung als Ehrenmitglied der Fundatio Nisibinensis.